[Rezension] Andrea Fehringer: Die Poesie des Tötens

Das Buch

Sieben Wochen - Vier Morde - Eine Biografie

 

Ein idyllischer Sommer in Wien: Zwischen italienischen Designermöbeln und geschmackvollen Kunstgegenständen genießt der erfolgreiche Ghostwriter Max West mit Frau und Kind das Leben in vollen Zügen - bis zu dem Tag, an dem "Kleist" in ihr Leben tritt.

 

Der grausam vorgehende Serienkiller entführt die gemeinsame Tochter und zwingt Max dazu, in nur sieben Wochen seine mörderische Biografie niederzuschreiben - sieben Wochen, in denen das Paar seine Tochter in den Händen eines Psychopathen weiß...

Das hat mich enttäuscht:

Ja, es ist ungewöhnlich und eigentlich lernt man schon in der Schule, dass man bei Kritik immer mit positiven Dingen anfängt, bevor man zum Negativen kommt. Doch es fällt mir sehr schwer, Positives an diesem Thriller zu finden - daher fange ich mit dem an, was mich enttäuscht hat und hoffe, noch den ein oder anderen positiven Punkt am Ende zu entdecken.

 

Zunächst einmal möchte ich etwas zum Schreibstil sagen: Dass "Kleist" sich selbst für einen großen Dichter hält, hat leider enorme Auswirkungen auf den Schreibstil. Die Passagen, in denen er selbst spricht, sind hochgestochen, oft wird einfach nur geschwafelt, zu poetisch, zu "arrogant" - ganz im Motto: Einbildung ist auch Bildung. Liest man dann andere Szenen, in denen "Kleist" mal nicht vorkommt, bekommt man das Gefühl, die Autorin hat sich zu sehr mit "Kleist" identifiziert - denn auch diese Abschnitte sind oftmals das reinste Geschwafel mit einem Sinn, der sich mir nicht erschließt. Dazu kommt, dass die Eltern des entführten Kindes Dialoge führen, als hätten sie bloß den Autoschlüssel verlegt - viel zu unrealistisch (aber dazu komme ich noch). Dass vor den Namen des Kindes immer ein Artikel gesetzt wird, hat mich beim Lesen wahnsinnig gemacht (bspw. "Wo ist die Ella?", "Die Ella ist im Kindergarten", "Nein, da ist die Ella nicht!", "Was machen wir denn jetzt ohne die Ella?"). Ich meine, ganz ehrlich, selbst wenn das in Österreich normal ist, so zu sprechen - im Falle einer Kindesentführung achtet man doch wohl kaum auf eine "korrekte" Sprachanwendung! So viel zum Schreibstil und wie er mich meine letzten Nerven gekostet hat...

 

Die Protagonisten: Dass die Eltern oft unrealistisch handeln und völlig unauthentische Gespräche führen, habe ich ja eben kurz erwähnt. Darauf möchte ich näher eingehen; ein völlig durchgeknallter Serienmörder entführt ein Kind und drängt sich mit Drohungen, Erpressung und unglaublicher Dreistigkeit in das Leben der verzweifelten Eltern (die oft gar nicht so verzweifelt scheinen, wie gesagt: verlegter Autoschlüssel). Ihnen wird jeden Tag vor Augen geführt, dass ihr Kind weg ist und dass dieser Mann zu allem fähig ist. Was machen sie? Sie sinnieren über ihr Leben, was sie hätten anders machen können und wie sie sich vor ihren Freunden am besten unauffällig verhalten können. Wo der verlegte Autoschlüssel ist - ehm, Verzeihung, das entführte Kind natürlich - ist erst einmal zweitrangig. An dieser Stelle fällt mir ein, dass der Charakter "Kleist" tatsächlich unter die Kategorie "Das hat mir gefallen" fällt - dazu später mehr.

 

Nun noch ein paar Worte zur Umsetzung der Story. Der Gedanke, der hinter dem Ganzen steckt, ist genial. Die Umsetzung dagegen ist leider sehr schwach. Neben den unrealistisch handelnden Eltern und dem unglaublich nervtötenden Schreibstil, fehlt es dem Spannungsbogen hinten und vorne an Allem. Ich würde ihn eher als Spannungslinie bezeichnen, die in etwa so aussieht:                                                                                                                                                     ___

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_______________________________________________________________________________|        |__Ende

 

Man wartet und wartet und wartet - auf irgendetwas, das dem Begriff "Spannung" auch nur ansatzweise gerechet wäre. Aber man wartet vergeblich. Auf den letzten ~50 Seiten passiert dann alles auf einmal - der Spannungsanstieg, -höhepunkt und -abfall - und dann ist die Geschichte auch schon vorbei.

 

Hiermit genug des Negativen, mir sind tatsächlich zwei Dinge eingefallen, die mir an dem Thriller gefallen haben.

Das hat mir gefallen:

"Kleist": Serienmörder, Kindesentführer und Poet. Die Hauptperson des Thrillers, die Person, die immer im Mittelpunkt steht und selbst dann in den Gedanken hängen bleibt, wenn von ihr gerade keine Rede ist. "Kleist" hat mir tatsächlich gut gefallen - solange er nicht geredet hat (siehe oben, schwafeln etc.). Er hat einen ziemlich ausgefeilten Charakter, über den die Autorin sich offenbar mehr Gedanken gemacht hat, als über alles andere. Er hat Stärken, oder zumindest Eigenschaften, die so wirken sollen und Schwächen, die man als Leser erst nach und nach zu Gesicht bekommt. "Kleist" bei seiner Entwicklung zuzuschauen, hat sogar fast Spaß gemacht. Man ist sich nie ganz sicher, ob er alles nur schauspielert, was Wahrheit ist und was Lüge.

 

Der zweite Punkt, der mir an dem Thriller gefallen hat, ist das Buch im Buch. Objekt des Thrillers ist die Biografie, die "Anleitung eines Serienkillers", die Max West für "Kleist" schreiben soll. Die im Klappentext angekündigten Morde sind meiner Meinung nach eher zweitrangig. Dies hat es dem Leser ermöglicht, alles über die Morde zu erfahren, ohne "direkt dabei" zu sein.

Fazit

Ich kann mich spontan an kein Buch erinnern, das ich so auseinandergenommen habe wie dieses. Ich kann mich spontan aber auch an kein Buch erinnern, das mich so extrem enttäuscht und genervt hat wie dieses. Die beiden positiven Punkte, die mir noch eingefallen sind, machen definitiv nichts wieder wett. "Die Poesie des Tötens" zu lesen hat mir keinen Spaß bereitet und mir im Endeffekt eher Lesestunden gestohlen, als mir Freude zu schenken. Ich kann es daher nicht empfehlen.

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